Erzeugen einer Trainingsstimmung
SYSTEMTHEORIE UND BERATUNG
Hans Jürgen Ehbrecht, Ralf Walter (Kunden-Seite), Heinz Jiranek und Chris Wolf (ifb-Jiranek) beschreiben an einem Praxis-Beispiel, wie Veränderung entstehen kann. Dabei haben die Beteiligten bei dem mehr als einjährigen Projekt versucht, sich nicht einfacher Rezepte zu bedienen, sondern sie haben sich die Erkenntnisse und Forderungen der Systemtheorie als Richtschnur genommen.
Ehbrecht, Hans-Jürgen; Jiranek, Heinz; Walter, Ralf; Wolf, Chris:
Systemtheorie und Beratung. Ein Beispiel aus der Praxis.
Sonderdruck aus "Systemtheorie und Beratung"
Zur Bedeutung des Trainings im Pharma-Außendienst
(Heinz Jiranek - Ralf Walter - Chris Wolf)
Erzeugen einer Trainingsstimmung
(Regionalleiter Außendienstmitarbeiter Kunde)
In der Tradition und Herkunft des beratenen Unternehmens genießen Trainingsmaßnahmen besondere Bedeutung. Der Leiter der Business Units, aber auch das Führungsteam sehen darin einen zentralen Baustein der Strategieimplementierung. Zum Zeitpunkt der Initiierung des Beratungsprojektes war die Stimmung gegenüber Trainingsmaßnahmen sehr reserviert. Training erschien dem Außendienst mehr als lästige Pflichtübung, die nur um des Absolvierens willen absolviert wurde. In der Pharma-Industrie ist dies nicht
Fallbeispiel:
"Psychologisches Kommunikations- oder Verkaufstraining ist Blödsinn!" Ein O-Ton-Beitrag der Region. Also überlegten Chef und Mitarbeiter zusammen mit dem Berater in einer völlig offen geführten Diskussion [1], worin denn eigentlich ein möglicher Bedarf bestehen könnte. Der Konsens kam rasch zu Stande: Es müsste eine Form des Erfahrungsaustausches geben, die über das Biertisch-Gespräch hinausgeht, zweitens müsste man die Erkenntnisse der Psychologie als Angebot begreifen (nicht als "Schulung") und sich dann gemeinsam überlegen, ob und wie sich Übertragungsmöglichkeiten auf den Berufsalltag ergeben könnten.
Alle Trainingssitzungen richteten sich nach diesen Grundideen aus. Sie wurden immer gemeinsam mit aus der Gruppe gewählten Mitarbeitern und dem Regionalleiter vorbereitet und auch moderiert.
Beispielsweise leitete ein erfahrener und erfolgreicher Außendienstmitarbeiter eine 6-stündige Sitzung, die ausschließlich dem Erfahrungsaustausch gewidmet war. Was wirkt auf den Kunden? Was nicht? Wie machen das die Erfolgreichen? Der Mitarbeiter legte alle seine Karten auf den Tisch. Viele Kollegen zogen ihren Block aus der Tasche, um sich Notizen zu machen. Der Tag wurde als ausgesprochen erfolgreiches Training bezeichnet.
Dabei entstand mehr und mehr der Wunsch der Mitarbeiter, bestimmte Situationen auch einmal auszuprobieren. Dem Vorschlag des Beraters, dabei auch mit Video zu arbeiten, wurde verhalten zugestimmt. Es entstanden ausnehmend kurzweilige und zielführende Auswertungen bestimmter Gesprächssequenzen.
Die Neuausrichtung von Training
(GE-Leiter Leiter der Außenorganisation Regionalleiter Außendienstmitarbeiter Kunde)
Zum Thema Verkaufen geistern eine Fülle populärwissenschaftlich inspirierter, aber irrationaler und plakativ vereinfachender Ideen umher, die weder kommunikationspsychologisch noch systemisch haltbar sind und für die es keinerlei Belege gibt. Als Beispiel sei der so genannte "Verordnungsappell" genannt. Die Psychologie der Vereinbarung, des Commitments, das ja schließlich zu einem geänderten Verhalten führen soll, stellt sich weitaus komplexer dar (vgl. Cialdini, 2002). Gleiches gilt für eine wissenschaftlich-inhaltlich perfekte Präsentation der Produkte und deren Vorteile: Außendienstmitarbeiter versuchen, den Kunden zu sagen, was sie tun sollen. Dies bezeichnet man in der Systemtheorie als "instruktive Interaktionen" und einer der Leitgedanken moderner Systemtheorie lautet: " [...] es gibt keine `instruktive Interaktion´ in dem Sinne, kleine Packen Informationen in die Köpfe anderer Leute zu bringen oder solche Packen selber zu bekommen." (Maturana, 1998). Die systemtheoretisch belegbare Informationsvermittlung besteht in der "strukturellen Koppelung" von Systemen, die in unserem Falle dadurch geschieht, dass die Interaktion Außendienstmitarbeiter-Arzt durch Prozesse der Aufmerksamkeitssteuerung auf beiden Seiten modifiziert werde[2].
Der Auftrag des Außendienstlers lässt sich zerlegen in mehrere zentrale Kompetenz- und Tätigkeitsbereiche:
Werbeauftrag: Kernbotschaften dauerhaft und eindrücklich beim Kunden verankern
Kundenbindung: Eine dauerhafte Verknüpfung zwischen Präparat und Person erstellen
Verkaufen: Die Verordnung von Präparaten wahrscheinlicher machen
Imagetransfer: Das Image des Forschungspuristen transportieren Daneben finden sich noch folgende Tätigkeiten, die weniger im Fokus des Berufsfeldes stehen und stehen sollten: Lehrauftrag: Dem Kunden neues Wissen vermitteln
Psycho-Auftrag: Mit dem Kunden über dessen persönliche Probleme erzählen und ihm diesbezüglich Hilfe anbieten
Info-Broker: Dem Kunden Informationen über sein Umfeld, andere Ärzte o.ä. zuführen
...
Der Kernauftrag des Außendienstmitarbeiters ist es, die Aufmerksamkeit des Kunden zu fokussieren, indem er Kernbotschaften dauerhaft und eindrücklich verankert.
Wie kann dies gehen? Aus unserer Sicht etwa dadurch, dass die anderen, genannten Kompetenzfelder kreativ genutzt werden, um eben diese Fokussierung zu erreichen. Dabei haben unterschiedliche Tätigkeitsarten aus unserer Liste unterschiedlich hohe Kosten und Nutzen.
Nicht genug damit, die Kosten und Nutzen hängen darüber hinaus davon ab, wie ein spezifischer Außendienstler ist (seine Wirkfaktoren) und wie ein bestimmter Kunde ist (Kundenorientierung).
Demnach hat Training viel mehr Möglichkeiten, als "Aussage Beweis Nutzen" zu üben und Einwandlungsbehandlungskataloge durchzuarbeiten - wir streiten eher im Gegenteil, dass dieses nachgerade schädlich sein kann! "Einwandbehandlung", dem anderen seine Meinung wegzu"behandeln" impliziert paradigmatisch den verzweifelten Glauben an die instruktive Interaktion!
Im Verlaufe des Projektes fingen die Berater an, mehr und mehr die Verkaufsrituale der Pharmaindustrie in Frage zu stellen, im besten Sinne zu "challengen". Cecchin et al. (1992) empfehlen systemischen Beratern diese Art der Respektlosigkeit gegenüber jeglicher Gewissheit. Diese Geisteshaltung bezeichnet man in der Systemtheorie als Irreverenz: Respektlosigkeit gegenüber Ideen, Respekt jedoch gegenüber Menschen. Haben sich in der Pharmaindustrie eventuell Regelhaftigkeiten, Gewissheiten eingeschlichen, die gar nicht sinnvoll sind, sondern bloß – einfach? Mangelt es nur an besseren, irreverenten Ideen?
Was heißt das fürs Training?
Gemäß dieser Auffassung galt es, zwei Dinge zu tun:
- Im Pflichtteil den Außendienstmitarbeiter darin zu unterstützen, die Aufmerksamkeit des Kunden so sicher und einfach wie möglich auf die zentralen Produktbotschaften zu fokussieren.
- Im Kürteil den Außendienstmitarbeiter in seiner Kreativität zu unterstützen, herauszufinden, wie er als Individuum am besten Erfolg hat!
Dabei gehört das Pflichtthema in erster Linie ins Training während der Marketingkonferenzen, während die Kürthemen auch in offenen Seminaren oder in Regionaltrainings, also stärker individuell, vorkommen können.
Darin bestand die Neuausrichtung des Trainings: Einerseits die strategischen Vorgaben vollkommen unangetastet zu lassen (welche Produkte sollen besprochen werden, mit welcher Positionierung und so fort), andererseits sich im WIE von der "Ohnmacht der Gewohnheit" (Max Frisch) zu befreien.
Warum erzeugt jeder Witz mehr Aufmerksamkeit als ein Arztgespräch? Ist ein Arztgespräch ohne Humor gar witzlos (nach Simon, 1998)? Warum können wissenschaftliche Argumente Amnesien erzeugen? Wie merkt man sich was, wie nicht? Wie könnte man Ärzte dazu bekommen, nicht zuzuhören [3]? Warum geht es beim Verhandeln oft gar nicht um die Inhalte? Und so weiter und so weiter. Wer hat in der Region welche Stärken? Wie nutzt er sie? Können die anderen davon etwas lernen oder nicht?
Der stärkste Erfolgsfaktor unseres Ansatzes ist, dass die Außendienstmitarbeiter dabei hochgradig wertgeschätzt und als Individuen respektiert werden anstatt zum Auswendiglernen auf eine Schulbank geschickt werden, welches sofort (berechtigten!) Widerstand auslöst!
Wie stark der Sog dieses offenen, das Individuum respektierenden Ansatzes ist, wird in folgender Episode deutlich: Die Mitarbeiter einer Region wünschten sich bei der Beraterin des ifb-Jiranek ein weiteres Training. Wie so oft im Leben war es jedoch sehr schwierig, einen Termin zu finden. Nach kurzem Überlegen schlugen die Mitarbeiter vor, ein Wochenende zu "opfern"[4]!
Bei der Neuausrichtung des Trainings spielen besonders die Regionalleiter eine wichtige Rolle. "Training ist Führungsaufgabe" bedeutet, dass sie dafür verantwortlich sind, dass ihre Mitarbeiter auf einem hohen Niveau inhaltlich und verkäuferisch fit sind. Teils moderieren sie Trainings selbst, teils agieren sie als Co-Trainer zusammen mit einem Externen, teils engagieren sie die entsprechenden Referenten. Sie sind weiterhin dafür verantwortlich, dass nicht irgendetwas trainiert wird, sondern dass bei allen Aktivitäten der Bezug zur Unternehmensstrategie gewahrt bleibt. Systemisch besteht ihre Aufgabe darin, die Mitarbeiter zum Training zu verführen. Training darf anstrengend sein, es muss aber Spaß machen.
Deshalb wurden gemeinsam folgende Prinzipien vereinbart: Freiwilligkeit: Von Anfang an stand fest, dass jegliche Aktivität in den Regionen nur auf freiwilliger Basis stattfindet. Statt Druck gab es eher Verknappung – in den Projektsteuerungssitzungen beschlossen der Leiter der Außenorganisation und die Berater Schwerpunkte des Angebotes an die Regionen, d.h. im Umkehrschluss, dass es eben auch Regionen gab, die zu bestimmten Zeiten nicht in regionale Projekte eingebunden waren.
Rolle der Regionalleiter: Regionale Projekte unterstehen der hundertprozentigen Kontrolle der Regionalleiter, d.h. einerseits, dass alles, was vom ifb-Jiranek ausgeht, abgesprochen und mindestens abgesegnet ist. Andererseits bedeutet dies, dass jeder Regionalleiter in zu ihm passender Art und Weise mitwirkt. Dies ist das wichtigste Prinzip der regionalen Arbeit, welches zum nächsten Punkt hinführt:
Selbsttragende Lösungen: Jede Aktivität hat zum Ziel, dass ein bleibender Effekt oder Prozess entsteht. Im Minimalfall bedeutet dies, dass eine einmalige Trainingsaktivität Begeisterung für "anderes" Training erzeugt und damit die Trainingskultur nachhaltig beeinflusst wird. Im Maximalfall entsteht eine neue Teamkultur mit den Eckpfeilern von Leistungsorientierung und –motivierung.
Marketingkonferenzen
- Die Ausgangssituation -
Die Marketingtagung ist die große strategische Plattform der Außenorganisation. Zentrale und regionale Führung, Außendienst und Marketing sind vertreten. Im Sinne einer Großveranstaltung mit jeweils ca. 50 Teilnehmern werden an zwei Tagen die Strategie und Maßnahmen für die kommenden Monate dargestellt, "beworben", platziert und vereinbart. Hier ist der Raum, um das Ohr am Markt zu haben, um Feedbackprozesse zu leben.
Die erste Marketingtagung mit Beraterteilnahme stellte sich wie folgt dar: Am ersten Tag fanden Präsentationen von Mitgliedern des Leitungskreises statt. Das Thema war, grob gefasst, die Geschäftssituation und die daraus abgeleitete Strategie.
Danach präsentierten die Produkt-Manager ihre neuen Ansätze und Maßnahmen in Workshops mit ca. 8 Teilnehmern. Dabei gab es (theoretisch) Raum zum Diskutieren.
Da die Konferenzen in den Regionen stattfanden, verließ das komplette "Zentral"-Team die Konferenz am ersten Abend.
Der zweite Tag bestand aus Training. Dabei sollten Strategie und Maßnahmen verankert werden. Das Herangehen erschien konventionell: Zeit zum Auswendiglernen, Gesprächsübungen und Rollenspiele. Am Ende gab es eine Präsentation, in der zwei Außendienstmitarbeiter vor allen anderen ein Arztgespräch vorspielen mussten. Der Tag verlief in fröhlichem Austausch und stillem Langweilen im Wechsel, bis plötzlich klar wurde, dass Freiwillige für die Präsentation gefunden werden mussten. Dies verursachte unmäßig viel Stress.
Fazit:
Die Einführung der Workshops (1. Tag), die vor dem Projektstart statt fand, zeigte erste Ergebnisse. Indes war die Bereitschaft, dem Angebot der offenen Diskussion zu trauen und echt zu diskutieren, noch verhalten. Der Trainingstag erschien bestenfalls unschädlich, überflüssig und zum Teil nicht erwachsenengerecht.
Die Rolle der "Zentrale"
Die "Zentrale" ist in der Regel im Vertriebswesen ein provozierender Ausdruck. Indes entsprach dieser dem damaligen Gefühl. Das Differenzieren bei der Marketingtagung zwischen verschiedenen Menschen, die dem Präparat ein Gesicht verleihen, entwickelte sich erst in der Folgezeit und erweist sich immer wieder als mächtiger Faktor. Letztendlich arbeiten Menschen immer für Menschen und nicht für "das Marketing". Nach Fritz B. Simon existiert real nur, was man küssen kann, und Abteilungen kann man nicht küssen. Die "Zentrale" kann man auch nicht küssen, obwohl ihr das manchmal gut täte.
Die Frage, wie man alle Informationen unterbringen könne, was man selbst wolle, schien sehr stark im Vordergrund zu stehen – weniger die Frage, was davon den Außendienstler erreicht, was er mitnimmt, mitnehmen kann und was er seiner Frau von der Konferenz erzählt, wenn er nach Hause kommt.
Die Chance eines motivationalen Feuers, wie es bei Großgruppen möglich ist, schien nicht ausgeschöpft. Zwar wirkten der Leiter der Geschäftseinheit durch seine rhetorische und strategische Brillanz und der Leiter der Außenorganisation durch seine engagierte Darstellung der Situation sowie seiner emotionalen Dichte und Präsenz, das Marketing jedoch ging im Gegensatz dazu eher unter. Die systemisch wichtigen Grenzen zwischen Innen- und Außendienst fühlten sich eher wie Fronten an. Wie würde man diese Gräben auffüllen können?
Marketing zum Anfassen
Der Ansatz, den Marketing-Tag der Marketingtagungen zu optimieren, entstand vor dem in der Veröffentlichung beschriebenen Projekt. Im Mittelpunkt stand die Idee, von langweiligen und demotivierenden Folienorgien hin zu zart interaktiven Workshops zu gelangen, in denen die Produkt-Manager den Mitarbeitern die neuen Entwicklungen im Marketing in Kleingruppen präsentieren. Somit hätten die Produkt-Manager die Gelegenheit, das "Ohr am internen Kunden" zu haben und demnach den Kundenorientierungsgradienten zu steigern. Gleichzeitig wäre dies die Gelegenheit für die Mitarbeiter, Feedbacks aus dem Markt zu zur Sprache zu bringen.
Dieser Ansatz konnte und durfte nicht neben dem Projekt laufen. Anfänglich zeigten sich die Product-Manager unsicher und fragten die Berater aktiv nach Feedbacks und Moderationstipps, wie man die noch ängstlich-zurückhaltende Stimmung ändern könne. Was passiert mit den Feedbacks der Mitarbeiter? Diese müssen wissen, wozu sie etwas sagen - nicht nur, damit etwas gesagt ist! Wo liegen die Mitgestaltungsspielräume? Wo sind klare Festlegungen? Alle Aktionen galten dem Ziel, Strategie und Maßnahmen anfassbar darzustellen!
In der Folge gelang es, den Außendienst mehr als internen Kunden aufzufassen und die Workshops stärker nach seinem Bedarf (nicht Wünschen!) auszurichten. Die Produkt-Manager zeigten mehr Nähe zu den Mitarbeitern, nicht zuletzt durch den zentralen Austragungsort der Marketingtagung, der es allen erlaubt, auch am Abend des ersten Tages bei der gemeinsamen Freizeitgestaltung dabei zu sein.
In jüngster Zeit beobachten wir mit Sorge, dass das System hier zurückschwingt: Der Trend geht weg von kleinen Workshops klar zu extrem komprimierten nicht mehr folien-, aber dafür beamer-lastigen Vorstellungen.
Die Rolle der regionalen Führungskräfte bei den Marketingtagungen
Den Regionalleitern fällt eine außerordentlich wichtige Rolle bei den Tagungen zu. Die Außendienstmitarbeiter orientieren sich an der Einstellung ihrer Führungskraft. Diese äußert sich in den Verhaltens-Symbolen, die der Regionalleiter bei der zentralen Konferenz setzt. In der Regel ist der Regionalleiter das Gesicht des Unternehmens in den Regionen. Wenn er bei der Marketingtagung die neue Strategie und die Maßnahmen mitträgt und deren Umsetzung anstößt, nur dann haben diese Maßnahmen eine Chance. Wenn sich der Regionalleiter eher im Selbstverständnis eines "Klassensprechers" lässig zurückgelehnt mal anhört, was die Zentrale sich so ausgedacht hat, in der Sitzung einfältige Fragen stellt und dann beim Bier am lautesten nörgelt, schafft er zwar vielleicht ein Commitment für sich, da nichts so sehr verbindet wie gemeinsames Jammern, aber nicht für die Strategie! Demnach war es eines der Projektziele, die Regionalleiter stärker in die Verantwortung zu bringen. Es galt zu klären, welches die Gestaltungsspielräume sind und wie das Commitment gestärkt und transportiert werden kann.
Ein Bestandteil dieses Unterfangens ist die Rolle der Regionalleiter im Training. Offensichtlich können nur solche Trainingsideen und –vereinbarungen umgesetzt werden, die der Regionalleiter nicht nur billigt ("abnickt"), sondern aktiv fördert und fordert. Mithin muss der Regionalleiter Ownership bei der Durchführung des Trainings empfinden und demonstrieren. Die Aufgabe des internen Trainers (eine feste Position bei der fraglichen Firma) ist es also, die Regionalleiter mit einem Planungsangebot zu unterstützen und bezüglich der Durchführung und der Vereinbarungen in die Pflicht zu nehmen. Hier ist eine klare Rollentrennung erforderlich! Dies gipfelte in dem bereits zitierten Kernsatz: "Training ist Führungsaufgabe!"
Rolle und Gestaltung von Training bei den Marketingtagungen
Die erste Regionalleiterkonferenz nach der Veränderung des Tagungskonzeptes brachte die Frage, ob man das Training beibehalten oder in dieser Form als zweiten Tag der Marketingtagung beibehalten solle? Die Entscheidung fiel knapp und nicht ganz ohne Motipulation zugunsten des Trainingstags.
Die Berater des ifb-Jiranek kooperierten deutlich in Planung und Durchführung des Trainings mit dem internen Trainer der Geschäftseinheit. In wiederum kleinen Schritten gelang es, Begeisterung für das Training zu schaffen und aufrechtzuerhalten.
Als der interne Trainer im Rahmen seines Qualifizierungsplanes zum Regionalleiter intern eine andere Position ausfüllen sollte, fiel die Entscheidung, das Training für eine Weile komplett an das ifb-Jiranek zu delegieren.
Es entstand für den Trainingstag der Marketingtagungen eine Struktur, die folgenden Anforderungen genügen sollte:
Was von den Marketinginputs soll beim Kunden ankommen? (Umsetzung der Maßnahmen)
Was kommt beim Kunden an? (Erfahrungsaustausch!)
Wie bringen wir die Außendienstmitarbeiter dazu, sich dafür zu interessieren? (Motivation: Reanimieren der Bereitschaft zum Training)
Wie kommt das, was wir wollen, besser beim Kunden an? (Verkaufspsychologie!)
Wie können wir das sicherstellen? (Training)
Wie wird's verfeinert, regional angepasst und unterstützt? (Gemeinsame Besuche der Regionalleiter)
Der Trainingstag folgt dabei gewohnheitsmäßig folgendem Aufbau (siehe Grafik).
Ziel des Tages: Jeder hat einen Gesprächsentwurf vorliegen, zu dem er sich durch die eigene Beteiligung daran bekennt. Es obliegt dem Regionalleiter, direkt die Leitplanken für das regionale Vorgehen zu vereinbaren.
Dadurch ließen sich auch Marketingstrategien direkt im Training unterstützen. Beispielhaft kann man die Idee der präzisen Positionierung aus der Gedächtnispsychologie ableiten, sowie zahllose Beispiele für die Angemessenheit dieses Ansatzes aus der Werbewirkungsforschung finden. Dies setzt Kreativität in der Frage des "Wie?" und nicht mehr des "Was?" frei und macht darüber hinaus bei relativ geringem Zeitbudget Spaß und fördert damit wieder Stimmung und Motivation.
Bewertung der Marketingkonferenzen durch den Außendienst
Bemerkenswert sind einige Ergebnisse nach in 2001. Wir baten, einen einseitigen Fragebogen zum Thema "Marketingtagung" zu bearbeiten. Ausnahmslos alle Mitarbeiter füllen den freiwilligen, anonymen Fragebogen aus, was für sich alleine genommen schon eine deutliche Sprache für die Akzeptanz des Projektes spricht.
Gute Noten erhalten vor allem die verkaufspsychologischen Hintergründe, diese werden auf fast jedem Fragebogen erwähnt! Der zweite Tag der Konferenz wird in seiner Struktur als rund, aufeinander aufbauend und durchdacht erlebt. Darüber hinaus werden als positiv genannt: der Austausch, das Bemühen um Praxisrelevanz, die gesteigerte Offenheit. Nachdem der zweite Tag zu Anfang des Projektes in Frage gestellt war, finden sich nun viele Fragebögen, die die integrative Funktion des zweiten Tages hervorheben und ihn vom Nutzen her positiv bewerten. Kein Fragebogen fordert den zweiten Tag zu streichen oder gegenüber dem Marketingtag zu kürzen. Einige fordern noch mehr Zeit für Austausch. Einige erwähnen die echte Ergebnisorientierung des zweiten Tages im Vergleich zum "Langweilen bis zur Abschlusspräsentation" früher. Viele einzelne Highlights der psychologischen Betrachtung finden sich in den Bögen Einzelner wieder, obwohl manche schon lange zurückliegen.
Bei der Frage "Was hat Ihnen gefallen?" kommen nicht etwa, wie man befürchten könnte, als erstes die Abend-Events und die lockerere Stimmung! Beides wird zwar auch goutiert, aber nicht als Schwerpunkt der Besprechung, mehr als Nebenforce-Aspekt. Ein Zitat: "... der zweite Tag ist lockerer und grade dadurch effizienter geworden...".
Fast alle Fragebögen erwähnen unter der Frage: "Welche Aspekte des Projektes würden Sie gerne fortgesetzt sehen?" das Training unter der besonderen Berücksichtigung der gesprächs- und verhandlungspsychologischen Aspekte. Keiner spricht sich gegen die Fortsetzung des Projektes aus.
Neben solchen regelmäßigen Feedback-Abfragen über den kompletten Außendienst dienen jedoch auch die bereits erwähnten Abstimmungsrunden vor der aktuellen Konferenz mit einigen weniger Mitarbeitern einer Region, die sich jeweils freiwillig bereiterklärt, als reichhaltige Quelle von Feedback, das natürlich auch mehr in die Tiefe geht.
Regionaltrainings
Offene Seminare
Nach einer Weile diversifizierte sich der Trainingsbedarf und –wunsch der Mitarbeiter in den Regionen. Es wurde schwieriger, in der Region gemeinsam getragene Themen zu finden, die noch dazu und vor allem einen Nutzen für den Alltag versprachen.
Daher führten wir eine Tradition von "Offenen Seminaren" ein. Dies sind an zentralen Orten durchgeführte Seminare mit umsatzrelevanten Themen, die von den Regionen besetzt werden können.
Charakteristisch für die neue Trainingsstimmung ist, dass nach der ersten Verbreitung der Themenliste an die Mitarbeiter kein offenes Seminar stattfand, sondern die Berater von ganzen Regionen für einige der Themen angefordert wurden!
Nach dieser ersten Bedarfsdeckung sind nun vier Seminare geplant. Das erste, zum Thema: Das Ende der Harmonie: Verkaufen bei "guten Freunden" zeigte sich als "Renner" und war in kürzester Zeit heftig überbucht - unterdessen, im Oktober 2001, ist der zweite Follow-up Termin dazu in Planung.
Die folgenden Seminare sind in der Regel schon halb besetzt, wenn die Ausschreibung noch nicht offiziell im Email-Verteiler ist...
Die Themen für die offenen Seminare werden gemeinsam beschlossen. Prinzipiell werden die Seminare mit einem internen und einem externen Trainer durchgeführt – in der Regel ein Regionalleiter und ein Trainer des ifb-Jiranek.
Die Arbeit an den Themen erfolgt ohne Zeitdruck, mit hohem Engagement der Mitarbeiter und gezieltem Ergebnis- und Vereinbarungsdruck seitens aller Beteiligten.
Gemeinsame Besuche
Nicht zu vergessen fanden punktuell gemeinsame Besuche der Berater mit Außendienstmitarbeitern statt. Diese hatten das Ziel, die Praxisnähe der Berater zu ermöglichen, weniger die Mitarbeiter zu trainieren. Dies sehen wir als Führungsaufgabe an.
Aktuelle Trends und Arbeitsfelder
Ausbildung der neuen Mitarbeiter
In der Ausbildung der neuen Mitarbeiter findet die Trainingsphilosophie der Außenorganisation klaren Niederschlag. Der Focus der gesamten Ausbildung liegt klar auf der Gesprächsarchitektur - jeder erlernte Baustein wird auf die Nutzbarkeit fürs Gespräch hin überprüft. (Ausgenommen hiervon ist die allgegenwärtige Frage nach Farbe, Typ und Ausstattung des Dienstwagens.)
Die Ausbildung lässt Raum für kurze Betrachtungen zur Verkaufspsychologie ("Wie versetze ich den Arzt schnellstmöglich in Trance?") und legt einen klaren Schwerpunkt auf das stringente Erarbeiten eines Gesprächsentwurfes. Diese Trainingseinheit findet in Kleinstgruppen statt, die von ausgewählten Mitarbeitern moderiert werden und von der Trainerin des ifb-Jiranek zusammengeführt werden. Diese trägt auch Sorge für den verkaufspsychologischen Rahmen.
Diese dreitägige Trainingssequenz ist regelmäßig der Höhepunkt der Ausbildung, oder wie es einer der neuen Mitarbeiter ausdrückte: "Hier gelangen die Inhalte aus dem Kopf in den Bauch und auf die Zunge".
Der Wechsel von (wenig) psychologischer Theorie und (sehr viel!) Praxis wird als ausgesprochen gelungen erlebt – der Einsatz, Spaß und das Herzblut der beteiligten Mitarbeiter als außergewöhnlich. Das einzige Problem liegt darin, diejenigen, die nicht als Trainer mitmachen können, wieder aufzubauen. Auch dies werten wir als Indiz für die hohe Wertschätzung, die Training in der Außenorganisation genießt – und zwar nicht nur in der "Zentrale" , sondern da, wo Training passiert und Umsatz fördert.
Ausblick
Die Einstellung zum Training und die Umsetzung in Trainingsmaßnahmen ist auf einem recht guten Stand. Dennoch haben wir uns weitere Ziele in allen Bereichen gesteckt.
Die Marketingkonferenz befindet sich in einem Entwicklungsprozess. Derzeit ist die kreative, zielorientierte Auseinandersetzung mit Strategie und Maßnahmen für die jeweils nächste Zeitspanne gut akzeptiert, ebenso unsere Idee, dass man den Tag in Pflicht und Kür-Elemente trennen müsse. Die Bereitschaft, intensiv bei der "Pflicht" zu verweilen ist groß - so werden etwa neuerdings Beispielgespräche aus dem Marketing gefordert und goutiert!
Die systemisch wichtigen kleinen Veränderungsschritte haben folgende nächste Ziele:
Es soll möglich sein, den Trainingstag in einzelnen Arbeitsgruppen mehr auf den Leistungsstand der Mitarbeiter zu adaptieren - es gibt, sehr schematisch vereinfacht mindestens zwei Möglichkeiten durch Training zu profitieren: Reflektieren oder Üben - Tools. Wem was nützt, ist schlecht vorhersehbar. Offenbar hängt es vom Individuum ab, indes glauben wir, dass die Frage der geeigneten didaktischen Form und des geeigneten Inhaltes auch vom Leistungsstand des Mitarbeiters abhängen kann. Wie in der Musik oder beim Theaterspielen muss erst die Technik ("Basic Skills") erlernt werden, bevor Virtuosität zur Geltung kommen kann.
Dabei ist mit Leistungsstand weniger Umsatz oder Index als Gesprächskompetenz gemeint. Diese muss folgerichtig eingeschätzt werden – unser Ziel ist, diese Einschätzung transparent zu machen und eine immer offenere Leistungskultur zu fördern, ohne Mitarbeiter zu entmündigen. Schließlich ist die Selbsteinschätzung des Mitarbeiters zentral für die Frage der geeigneten didaktischen Form oder Arbeitsweise!
Beispielhaft sollen bei den nächsten Konferenzen freiwillige, künstlich verknappte Video-Workshops angeboten werden – dies stellt einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Demonstrierung und Wertschätzung individueller Wirkfaktoren dar!
Ferner besteht ein Ziel in immer mehr Verbindlichkeit im Pflicht-Teil des Trainings.
Dabei ist es immer wieder unabdingbar, dass die Trainingsatmosphäre, der Spaß, die Begeisterung und Offenheit gefördert und gefordert werden.
In den offenen Seminaren sollen weiter wichtige Themen bearbeitet werden. In 2002 wollen wir neuen Themen anbieten, neue externe und interne Kollegen einbeziehen, sowie an bewährten Themen weiterarbeiten.
In der regionalen Arbeit liegt der Schwerpunkt auf dem Fördern der neuen Kollegen, sowie - wie immer – auf den individuell gewünschten Themen.
[1] Der systemisch agierende Berater kennt keine hidden agenda: Er deklariert offen, worum es geht. Im vorliegenden Fall lag klar auf dem Tisch, dass sich das Unternehmen Training wünscht, dass das aber nicht richtig läuft und dass wir nun gemeinsam nach Wegen suchen, Trainingsmotivation zu erzeugen.
[2] Eine Definition, die im übrigen sehr nahe an der Marketing-Idee der Positionierung von Produkten angesiedelt ist.
[3] Die Fragen "von der anderen Seite her" sind systemisch als "zirkuläre Fragen" definiert. Sie sind oft ausgesprochen entlarvend und eröffnen so neue Blickwinkel.
[4] Die Episode hat noch eine weitere Facette. Die Trainingsmotivation war auch für die Beraterin des ifb-Jiranek so hoch, dass sie dieses Wochenende dem Kunden nicht in Rechnung stellte!